Arm-Basis-Training, ABT

für Patient*innen mit mittel- bis schwergradiger Armlähmung

Das Ziel des Arm-BASIS-Training
Bei mittel- bis schwergradigen zentralen Paresen steht die Einschränkung oder der Verlust der selektiven Innervations- und Bewegungsfähigkeit im Vordergrund der funktionell relevanten Armfunktionsstörung.

Denn bei mittelschweren bis schweren Lähmungen können die einzelnen Muskeln entweder eingeschränkt oder gar nicht mehr aktiviert werden und meist nicht mehr einzeln und gezielt.
Bewegungen in den einzelnen Gelenkabschnitten von Arm und Hand (in der Schuter, Ellenbogen, Unterarm, Handgelenk und den Fungern) gelingen dann entsprechend nicht mehr bzw. nur eingeschränkt und nicht selektiv.

Ziel der Behandlung bei mittelschwerer bis schwerer Lähmung sollte demnach die Wiedererlangung dieser Basis-Kompetenz 'selektive Innervations- und Bewegungsfähigkeit' für die verschiedenen Freiheitsgrade des Armes sein.
Was heißt das? Ziel der Therapie bei mittelschwerer bis schwerer Lähmung nach einem Schlaganfall sollte es sein, wieder alle Muskelgruppen im Arm aktivieren zu können und zwar so, dass sie einzeln und gezielt angesteuert werden können.

Unsere 'gesunden' Armbewegungen sind sehr komplex und erfordern ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Muskeln und daraus folgend veschiedener Teilbewegungen über Gelenke hinweg.
Deswegen werden Armbewegungen bei schwereren Armlähmungen erst wieder gut gelingen, wenn viele Muskelgruppen im Arm gezielt (selektiv und koordiniert) bei Bewegungen aktiviert werden können. Diese Kompetenz wiederzuerlangen, ist jedoch nicht als primäres Ziel der derzeit gebräuchlichen physiotherapeutischen Verfahren erkennbar.
Viele Studienergebnisse sprechen dafür, dass das repetitive (wiederholende) Training selektiver Bewegungen in einzelnen Armabschnitten eine wirksame Trainingsstruktur bei mittel- bis schwergradigen Lähmungen darstellt. Das konnte z.B. für Arm-Robot-Therapie gezeigt werden.

Das von der Physiotherapeutin Christel Eickhof entwickelte Arm-Basis-Training (Eickhof, 2001) beübt systematisch und repetitiv (wiederholend) alle Arm-, Hand- und Fingerbewegungen. Denn nur wenn alle Bewegungsmöglichkeiten des Armes (Schultergelenksbewegungen, Ellenbogengelenksbewegungen, Unterarmbewegungen, Handgelenksbewegungen, Fingerbewegungen) wieder möglich sind, kann der Arm optimal im Alltag eingesetzt werden.
Die Wirksamkeit des Arm-Basis-Training ist nachgewiesen
In einer größeren klinischen Studie wurde die Wirksamkeit des Arm-Basis-Training überprüft. Es handelte sich dabei um eine einfach blinde, randomisierte kontrollierte Studie, bei der die Wirksamkeit einer Intensivierung der Armrehabilitation bei 60 Patient*innen mit mittelschwerer bis schwerer Armlähmung nach einem ersten Schlaganfall untersucht wurde (Platz et al. 2005a). Die Patient*innen erhielten entweder (A) die übliche Rehabilitationsbehandlung oder zusätzlich über 4 Wochen 5 x pro Woche 45 Minuten Armrehabilitation und zwar (B) entweder als Arm-Basis-Training oder (C) als Armbehandlung nach dem Bobath-Konzept, einer häufig eingesetzten Form der Physiotherapie nach Schlaganfall.
In der Studie führte nur eine zusätzliche Behandlung mit dem Arm-Basis-Training zu einer stärkeren Erholung der selektiven Beweglichkeit des Armes. Zudem konnte nur bei Patient*innen, die das Arm-Basis-Training erhalten hatten, eine systematische Umorganisation im motorischen Kortex (Hirnrinde) mit der transkraniellen Magnetstimulation nachgewiesen werden (untersucht bei einem Teil der Studienpatient*innen) (Platz et al., 2005b).

In einer weiteren, größeren, einfach blinden multizentrischen randomisierten kontrollierten Studie sollte geprüft werden, ob die individualisierte "beste konventionelle" Therapie oder die schädigungsorientierte Therapie (IOT) in der Armrehabilitation nach Schlaganfall gleichwertig sind bzw. welche therapeutische Vorgehensweise ggf. überlegen ist (Platz et al., 2009). In diese Studie, an der 6 Studienzentren teilnahmen, wurde eine repräsentative Gruppe von Schlaganfallpatient*innen im subakuten Stadium eingeschlossen, die entweder eine leichte oder eine schwere Armlähmung hatten. Die Patient*innen wurden randomisiert in 3 Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt eine (passive) Luftschienentherapie, eine zweite die "beste konventionelle" Armrehabilitation und die dritte schädigungsorientiertes Training, entweder als Arm-Fähigkeits-Training (leichte Parese) oder Arm-Basis-Training (schwere Parese).
Die motorischen Erholungsraten waren höher nach dem schädigungsorientierten Training (IOT) verglichen mit der "besten konventionellen" individualisierten Therapie. In der Studienpopulation erzielte die schädigungsorientierte Therapie eine Effektgröße von 1,51 nach dem Training.
Verglichen mit der Effektgröße von 1,01 für die beste konventionelle Therapie ergab sich also eine differenzielle Effektgröße für die schädigungsorientierte Vorgehensweise von 0,5, was einen zusätzlichen Effekt von 50 % über der Vergleichsgruppe anzeigt.
Die Studienpatient*innen mit mittelschwerer bis schwerer Armparese hatten im Mittel 24,4 Fugl-Meyer-Punkte zu Beginn der Studie (Werte können zwischen 0 und 66 [normal] variieren). Nach 4 Wochen Therapie hatten die Patient*innen mit individualisierter "bester konventioneller" Therapie im Durchschnitt einen Zuwachs von 9,2 Punkten (35 % Verbesserung) erreicht, während die Patienten, die das Arm-Basis-Training erhielten, einen Zuwachs von 12,3 Punkten (52 % Verbesserung) erreichten. Das Wiedererreichen der selektiven Bewegungsfähigkeit in Arm und Hand bei schwerer gelähmten Arm wurde durch das Arm-Basis-Training nachweislich deutlich stärker verbessert.
Schlussbemerkungen
Mit dem Arm-Basis-Training steht für Patient*innen mit mittel- bis schwergradiger Armlähmung nach Schlaganfall ein wirksames Training zur Wiederherstellung der selektiven Bewegungsfähigkeit in Arm und Hand zur Verfügung.
Durch seine patientennahe Struktur ist es unmittelbar in Klinik und Praxis einsetzbar.
Die sachgerechte Durchführung des Arm-Basis-Training setzt eine Fortbildung von Therapeut*innen voraus.
Zitierte Literatur
Eickhof C. Die Grundlagen der Therapie bei erworbenen Lähmungen. Pflaum Verlag, München, 2001.
Platz T, Eickhof C, van Kaick S, Engel U, Pinkowski C, Kalok S, and Pause M. Impairment-oriented training or Bobath therapy for arm paresis after stroke: a single blind, multi-centre randomized controlled trial. Clin Rehabil, 2005a; 19:714-724.
Platz T, van Kaick S, Möller L, Freund S, Winter T, and Kim I-H. Impairment-oriented training and adaptive motor cortex reorganisation after stroke: a fTMS study. J.Neurol. 2005b; 252:1363-71.
Platz T, van Kaick S, Mehrholz J, Leidner O, Eickhof C, Pohl M. Best conventional therapy versus modular Impairment-oriented training (IOT) for arm paresis after stroke: a single blind, multi-centre randomized controlled trial. Neurorehabilitation and Neural Repair 23:706-16, 2009.